Fallstricke beim Dropshipping (D2C und Marktplatz)

1) Rollenbild & Grundprinzip

Problem: Beim klassischen Dropshipping bleibt der Shop rechtlich „Verkäufer/Unternehmer“ gegenüber Verbraucher:innen. Sie haften für alle Pflichtangaben, Mängelrechte, Produktsicherheit etc. Der Lieferant ist lediglich Vorlieferant.
Lösung: Akzeptieren Sie die Verkäuferrolle und bauen Sie Rückgriffe/Compliance-Pflichten gegenüber dem Lieferanten vertraglich aus (Lieferantenvertrag + SLA).
Alternative: Reines Affiliate/Lead-Modell (kein Vertrag mit Verbraucher) – reduziert Haftung, ist aber rechtlich Werbung/Vermittlung (UWG/Transparenz) und wirtschaftlich anders zu bewerten. Oder Marketplace-Modell als Plattformbetreiber (dann Plattform-Pflichten, DSA-Compliance, Händlerprüfung).


2) Informationspflichten & Fernabsatz

Typische Abmahnfallen

  • Unvollständiges Impressum, fehlende/fehlerhafte AGB, Widerrufsbelehrung, Muster-Widerrufsformular.
  • Falsche/fehlende Produkt-, Material-, Energie-, Textil-, Lebensmittel-, Kosmetik-Angaben; Herkunft/CE-Konformität unklar.
  • Lieferzeit „sofort“/„lagernd“ trotz Drittversand; Versandkosten/Grundpreise/Strikethrough-Preise nicht PAngV-konform.
  • Irreführende „Garantie“-Werbung, Nachhaltigkeitsaussagen, Fake-Reviews.

Lösungen

  • Rechtstexte aktuell, DE-/EU-konform; Widerrufsrecht 14 Tage (Ausnahmen sauber gekennzeichnet), korrektes Musterformular; vollständiges Impressum inkl. Kontaktkanal.
  • PAngV-Konformität: Gesamtpreis inkl. USt., Versandkosten vor Checkout, Grundpreis (€/kg, €/l etc.) wo erforderlich, Preisdurchstreichungen mit echter Referenz (z. B. UVP/Altpreis mit Zeitbezug), keine „Mondpreise“.
  • Lieferzeiten ehrlich: realistische Spannen (z. B. „5–8 Werktage“); keine Verfügbarkeits-Claims ohne Einfluss auf Lieferkette.
  • Produktinfos: Pflichtkennzeichnungen (CE, WEEE/ElektroG, BattG, TextilKennzG, REACH, Spielzeug-/RoHS-/EMV-Vorgaben, LMIV/KosmetikVO etc.); nur mit prüfbaren Nachweisen des Lieferanten.
  • Werbung/Green Claims nur mit belastbaren Belegen; Garantie nur mit Garantiebedingungen (§ 479 BGB).
  • Review-Compliance: Kennzeichnung bezahlter Rezensionen; keine Irreführung über Echtheit/Verifizierungen.

Alternativen

  • Sortimentsbeschränkung auf EU-konforme, unproblematische Warengruppen (keine sicherheitskritischen/kennzeichnungspflichtigen Produkte).
  • EU-Lager/3PL: verkürzt Lieferzeit, reduziert Irreführung und Retourenquote.

3) Gewährleistung, Garantie & Lieferantenregress

Problem: Verbrauchergewährleistung (2 Jahre; Beweislastumkehr im ersten Jahr) trifft Sie – nicht den Lieferanten.
Lösungen

  • AGB sauber: Nacherfüllung (Nachlieferung/Nachbesserung), Retourenprozess, Reserven/SLAs. Keine unzulässigen Gewährleistungsausschlüsse ggü. Verbraucher:innen.
  • Lieferantenvertrag:
    • Qualitäts-SLA (Stichproben, AQL, Zertifikate, Änderungsmitteilungspflichten).
    • Freistellung/Indemnity bei Produkt-, Marken-, Urheber-, Wettbewerbs-verstößen; Rückgriff gem. § 445a BGB (Regresskette).
    • Produkthaftungs-/Produktsicherheits-Klauseln inkl. Rückrufkosten, behördliche Maßnahmen, Audit-/Inspektionsrechte.
    • IP-Zusicherungen (Bilder, Marken, Designs), Nachweis- und Dokumentationspflichten.
  • Garantie (freiwillig) nur, wenn wirtschaftlich hinterlegt; sonst vermeiden oder vom Hersteller tragen lassen.

Alternativen

  • Nur EU-Hersteller/Marken mit eigener Garantie & Service-Netz.
  • Erfüllungsgehilfe-Steuerung: EU-3PL mit QS, um Mängelquote zu senken.

4) Produktsicherheit & Haftung (ProdSG/ProdHaftG)

Risiken: Behördliche Maßnahmen, Rückrufe, deliktische Haftung, verschuldensunabhängige Produkthaftung.
Lösungen

  • Konformitätspaket je Artikel: CE-Erklärung, Prüfberichte, technische Doku, Etiketten, Warnhinweise (Sprache: DE), Hersteller/Bevollmächtigter, Importeurangaben.
  • Importeurrolle: Bei Ware aus Drittstaaten sind Sie oft Importeur mit zusätzlichen Pflichten (Anschrift auf Produkt/Verpackung, Konformitätsprüfung).
  • Rückruf-/Krisenprozess: Meldewege, Behördentemplates, Seriennummern/Los-Tracking.

Alternativen

  • White-Label mit EU-Hersteller (Sie sind Markeninhaber, aber nicht Importeur).
  • Gefahrenklassen meiden (Spielzeug, elektr. Geräte, Kosmetika) – oder nur mit zertifizierten EU-Lieferanten.

5) Zoll, Umsatzsteuer & EPR

Risiken: Einfuhrumsatzsteuer/Zoll, OSS/IOSS-Pflichten, Steuer-Ort, EPR (VerpackG/LUCID, WEEE/ElektroG, BattG; in FR/ES zusätzliche Kategorien). Abmahnungen & Marktplatz-Sperren bei fehlenden Registrierungen.
Lösungen

  • USt-Setup: OSS (EU-Inlandsverkäufe), IOSS für Sendungen ≤ 150 € aus Drittland an EU-Verbraucher (Vorausverlagerung EUSt), saubere Lieferschuldnerschaft.
  • Incoterms: DDP (Zoll/Steuern vom Versender gezahlt) für reibungslose Zustellung; klare Kostentragung.
  • EPR-Registrierungen: VerpackG/LUCID + Systembeteiligung vor Versand; WEEE/BattG bei elektr. Geräten/Batterien; länderspezifische EPR bei Cross-Border.
  • Zolltarifierung: korrekte HS-Codes, Präferenzen, Dual-Use-Check.

Alternativen

  • EU-Fulfillment (IOSS entfällt), oder Zollvertretung über zuverlässigen Broker.
  • Sortiment ohne EPR-Pflichten (kein Elektro/Textil/Batt).

6) Datenschutz (DSGVO)

Risiken: Drittlandtransfer, fehlende Rechtsgrundlagen, Cookie/Tracking-Verstöße, Auftragsverarbeiter ohne AVV, Abmahnungen durch Wettbewerber/Verbände.
Lösungen

  • Rechtsgrundlagen/LV: AVV mit Fulfillern/Helpdesk/Newsletter-Tools; SCCs + TIA bei Drittländern.
  • Transparenz: DSGVO-konforme Datenschutzerklärung (Zwecke, Empfänger, Drittlandtransfer).
  • Consent-Management: CMP für Cookies/Tracking; kein vorangekreuztes Opt-In.
  • Datensparsamkeit an den Lieferanten (nur zur Erfüllung notwendig).
  • Betroffenenrechte/Fristen organisatorisch abbilden.

Alternativen

  • EU-native Tools ohne Drittlandtransfer.
  • Server-Side-Tracking mit Privacy-By-Design.

7) Marken-, Design-, Urheberrecht

Risiken: Abmahnungen wegen Markenverletzung (Keyword-Ads, Produktbezeichnung), Produktabbildungen/Lizenzketten, Design-Trittbrett, „Look-alikes“, fremde Logos auf Verpackung.
Lösungen

  • IP-Clearance-Prozess: Markenrecherche (DE/EU), Bildrechtekette dokumentieren, Lieferant garantiert keine Rechte Dritter verletzt; Freistellung + Kostentragung.
  • Listing-Regeln: keine fremden Marken im Titel, nur als kompatibel-Hinweis (sachlich, nicht herkunftstäuschend).
  • Eigene Marke anmelden (DE/EU) + Brand-Assets definieren.

Alternativen

  • Generic-Listing ohne Markennennung.
  • Lizenzierte Originalware (Distributionsvertrag mit Rechteklärung).

8) Werbung & UWG (inkl. „Omnibus“-Änderungen)

Risiken: Irreführung (Lieferzeit, Herkunft „Made in …“), Preiswerbung, Influencer-Posts ohne Kennzeichnung, „Klimaneutral“-Claims, durchgestrichene Preise, gekaufte Bewertungen.
Lösungen

  • Do’s: Klare Herkunft, realistische Lieferzeit, sauberer Nachweis für Umwelt-Claims, Influencer-Kennzeichnung („Anzeige“), Info zu Ranking-Parametern/Personalisierung (wo erforderlich).
  • Don’ts: Verknappungs-Fakes („nur heute“ ohne Grundlage), „gratis“ trotz versteckter Kosten, Pseudorabatte.

Alternativen

  • Content-first (Material, Zertifikate, Tests), Transparenzseiten (Nachhaltigkeit, Lieferanten, Prüfberichte).

9) Lieferkette & Vertrag mit dem Dropshipping-Lieferanten (Musterpunkte)

Kernklauseln (Auszug)

  • Gegenstand & Exklusivität (optional), SLA (Lead-Times, Fehlerraten, On-Time-Delivery, Antwortzeiten).
  • Qualität & Compliance: CE/REACH/WEEE/BattG/Textil etc.; Änderungen vorab melden; Audit-/Inspektionsrechte.
  • Daten & DSGVO: Rollen (AVV oder gemeinsame Verantwortliche), Datensicherheit, Unterauftragsverarbeiter, Drittlandtransfer (SCCs).
  • IP & Content: rechtefreie Bilder/Datenblätter; Marken-/Design-Freistellung.
  • Haftung/Freistellung: Produkt-/IP-/Wettbewerb; Cap nur im B2B-Innenverhältnis (nicht ggü. Verbraucher).
  • Recall/Incident-Handling: Meldefristen, Rückrufkosten, Behördenkommunikation, Dokumentation.
  • EPR/Zoll/USt: Verantwortlichkeiten, Registrierungs-IDs (LUCID/WEEE etc.), Nachweispflichten.
  • Retouren/RMA: Adresslogik (EU-Adresse!), Kostentragung, Wiederaufbereitung, Dead-on-Arrival-Quoten.
  • Preis/Änderungen: Indexierung, Ankündigungsfristen, Währungsrisiko.
  • Gerichtsstand/Schieds-Option, Rechtswahl (vorzugsweise DE/EU).

Alternative

  • Rahmenvertrag + Einzelbestellungen (Flexibilität) oder Vendor Managed Inventory via EU-3PL.

10) Plattformverkauf (Amazon/eBay/Marktplätze)

Risiken: Sperren wegen EPR-/USt-/Sicherheits-Verstößen, Marken-Gating, Produktverantwortung, DSA-Pflichten (Händler-Verifizierung, Notice-and-Action).
Lösungen

  • Händler-Verifikation & Nachweise (USt-Bescheinigung, LUCID, WEEE, Sicherheitsdokumente) bereithalten.
  • Content-Qualität: korrekte Attribute, keine Irreführung, Markennutzung nur mit Recht.
  • Monitoring: Notices schnell bearbeiten, Fälschungs-/Gefahrenmeldungen prozessiert.

Alternative

  • Eigener Shop (mehr Kontrolle, aber volle Compliance-Last) oder EU-FBA mit EPR-Konformität.

11) Operative Mindest-Prozesse

  • Pre-Listing-Check je Artikel (Sicherheit, EPR, Preisangaben, Rechtstexte, Bilderrechte).
  • Lieferzeit-& Bestandsspiegel automatisieren (kein „auf Lager“ ohne Kontrolle).
  • Retouren-Center in der EU für Widerruf/Gewährleistung.
  • Incident-/Recall-Runbook und Beschwerdemanagement.
  • Dokumentenablage (CE, Prüfberichte, Verträge) versioniert.
  • Versicherung: Produkthaftpflicht, Rückrufkosten, Cyber.

12) „Sofort umsetzen“-Checkliste (Kurz)

  1. Impressum, AGB, Widerruf, Datenschutzerklärung aktualisieren.
  2. PAngV-Check: Gesamt-/Grundpreise, Versandkosten, Streichpreise.
  3. Lieferzeiten realistisch, Versandzonen/Incoterms dokumentiert.
  4. CE/EPR/REACH-Nachweise pro Produkt; LUCID/WEEE/BattG-IDs einpflegen.
  5. AVV/SCCs mit Fulfillern/Tools; CMP live.
  6. IP-Clearance für Bilder/Marken; dokumentierte Nachweise.
  7. Lieferantenvertrag + SLA + Freistellung + Rückrufklausel unterschrieben.
  8. Retourenadresse in der EU + RMA-Prozess.
  9. OSS/IOSS-Registrierung; Zollbroker/HS-Codes.
  10. Influencer/Reviews-Policy & Nachweisführung.

13) Beispielklauseln (Auszug, zur Anpassung)

Freistellung (IP/Produktsicherheit):
„Der Lieferant stellt den Händler von sämtlichen Ansprüchen Dritter frei, die aus der Verletzung von Schutzrechten, Verstößen gegen Produktsicherheits-, Kennzeichnungs-, Umwelt- oder EPR-Vorschriften resultieren, einschließlich angemessener Rechtsverfolgungskosten. Dies umfasst behördliche Maßnahmen und Rückrufkosten.“

Qualitäts-SLA:
„Der Lieferant gewährleistet eine On-Time-Delivery-Rate ≥ 95 % und eine DOA-Quote ≤ 0,5 %. Bei Unterschreitung fallen Servicegutschriften i. H. v. X % des Nettowarenwerts an; weitergehende Ansprüche bleiben unberührt.“

Daten/AVV-Verweis:
„Soweit der Lieferant personenbezogene Daten von Kunden verarbeitet, erfolgt dies ausschließlich als Auftragsverarbeiter gem. Art. 28 DSGVO auf Grundlage des beigefügten AVV inkl. Standardvertragsklauseln bei Drittlandtransfer.“

EPR-Nachweise:
„Der Lieferant weist vor Erstlieferung gültige Registrierungsnummern (z. B. LUCID, WEEE, BattG) nach und hält diese während der Vertragslaufzeit aufrecht; Verstöße berechtigen zur fristlosen Kündigung und Schadloshaltung.“


14) Typische Streitpunkte & pragmatische Alternativen

  • Lange Lieferzeiten: Offen kommunizieren + Anreize (Rabatt/Gutschein) oder EU-Zwischenlager.
  • Hohe Retouren: Produktseiten verbessern (Maße, Fotos, FAQs) oder Warengruppe ändern.
  • Zertifikats-Beschaffung schwierig: unabhängige Prüfstelle beauftragen oder Produkt auslisten.
  • EPR-Komplexität bei EU-Weitvertrieb: Start in 1–2 Kernmärkten oder EPR-Dienstleister mandatieren.

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